Hörschäden, Schulterschmerzen, Stress Chronisch kranke Orchestermusiker
Was für uns schön
klingt, ist für Orchestermusiker oft harte Arbeit: Viele leiden an
chronischen Schmerzen und Stress. Doch Ärzte haben die Musikergesundheit
zunehmend im Fokus.
Simone Zgraggen ist Konzertmeisterin der Basel Sinfonietta und Professorin für Violine an der Musikhochschule in Freiburg.
Sie erklärt, mit was für Problemen zum Beispiel Streicher zu kämpfen
haben: Sehnenscheidenentzündung, Nackenprobleme und Rückenschmerzen.
Mehr als 60 Prozent der professionellen Musikerinnen und Musiker leiden
unter körperlichen Beschwerden, je nach Instrumentengruppe an ganz
unterschiedlichen.
Messungen bei
Geigern mit Schulterschmerzen ergaben, dass ihre Sehnen und Muskeln nach
einem dreistündigen Konzert um mehr als 10 Prozent angeschwollen waren.
Musikerkrankheiten waren lange Zeit ein Tabu-Thema
Andere
Instrumentengruppen haben ganz andere Probleme. Rudolf Mahni,
Solotrompeter des Philharmonischen Orchesters Freiburg und Dozent an der
Musikhochschule Freiburg, beschreibt, was beim Trompetenspiel im Körper
passiert: Hier herrscht eine besondere Drucksituation, bis zu
Spitzenwerten von 2,5 bar und die muss auch die Lippenmuskulatur
aushalten.
Lange Zeit galten körperliche Beschwerden
unter Musikern als ein Tabu-Thema, auch aus der Angst heraus nicht
wieder engagiert zu werden. Mittlerweile wird offener darüber
gesprochen. Das hat auch damit zu tun, dass es mittlerweile
spezialisierte Ärzte gibt.
Professorin Claudia Spahn ist Leiterin des Instituts für Musikermedizin an der Musikhochschule Freiburg.
Sie sieht insgesamt eine positive Entwicklung, wobei es Unterschiede
zwischen den Instrumentengruppen gibt. Denn Sänger melden sich bei
Beschwerden immer sehr schnell, auch die Bläser. Doch vor allem die
Streicher ignorieren Schmerzen noch lange und schleppen sich damit in
den Konzertsaal.
Zehn Prozent der Orchestermusiker chronisch krankgeschrieben
Trotz
zahlreicher Anlaufstellen, die sich der körperlichen Beschwerden
annehmen, sind noch immer mehr als 10 Prozent aller Orchesterspielenden
in Deutschland chronisch krankgeschrieben. Deswegen steht für Claudia
Spahn die Prävention bereits im Musikstudium im Vordergrund. Gemeinsam
mit ihrem Kollegen Professor Bernhard Richter bietet sie mehrere
Seminare an, die künftige Profimusiker nachhaltig gesund halten sollen.
Auch im Instrumentalunterricht nimmt die
nachhaltige und gesunde Körperarbeit immer mehr Raum ein. So arbeitet
Professorin Simone Zgraggen in ihrem Geigenunterricht zum Beispiel eng
mit einem Physiotherapeuten zusammen.
Musikerinnen
und Musiker kämpfen nicht nur mit körperlichen Belastungen durch ihr
eigenes Spielen. Auf ihre Ohren trifft auch die Klanggewalt des gesamten
Orchesters. Bis zu 120 Dezibel werden auf der Bühne gemessen, das ist
so laut wie ein Presslufthammer. Deswegen sind Orchestermusiker
angehalten ihr Gehör zu schützen.
Stress und Routine beim Musizieren
Neben
den körperlichen Belastungen gibt es auch noch den mentalen Stress. Bei
einem Hornisten der Wiener Symphoniker wurden während seines
Orchestersolos 200 Pulsschläge pro Minute gemessen. Streicher leiden
unter Bogenzittern, Solisten kennen die Angst vor dem Blackout. 95
Prozent aller Musiker müssen laut Schätzungen mit den Auswirkungen von
Auftrittsängsten und Lampenfieber leben.
Heutzutage
ausgebildete Musiker haben durch das reichhaltige Angebot präventiver
Maßnahmen die Chance, sich lange gesund zu halten. Trotzdem werden ihnen
früher oder später die Begleiterscheinungen des Alterns begegnen. Mahni
erzählt, das Gehör leidet, die Augen leiden durch die helle
Pultbeleuchtung und hohen Kontraste im Orchestergraben, und die
Schnelligkeit lässt nach. Aber eine gute Routine kann hier viel
auffangen.