Donnerstag, 25. Oktober 2018

Hörschäden, Schulterschmerzen, Stress Chronisch kranke Orchestermusiker

Was für uns schön klingt, ist für Orchestermusiker oft harte Arbeit: Viele leiden an chronischen Schmerzen und Stress. Doch Ärzte haben die Musikergesundheit zunehmend im Fokus.
Simone Zgraggen ist Konzertmeisterin der Basel Sinfonietta und Professorin für Violine an der Musikhochschule in Freiburg. Sie erklärt, mit was für Problemen zum Beispiel Streicher zu kämpfen haben: Sehnenscheidenentzündung, Nackenprobleme und Rückenschmerzen. Mehr als 60 Prozent der professionellen Musikerinnen und Musiker leiden unter körperlichen Beschwerden, je nach Instrumentengruppe an ganz unterschiedlichen.
Messungen bei Geigern mit Schulterschmerzen ergaben, dass ihre Sehnen und Muskeln nach einem dreistündigen Konzert um mehr als 10 Prozent angeschwollen waren.

Musikerkrankheiten waren lange Zeit ein Tabu-Thema

Andere Instrumentengruppen haben ganz andere Probleme. Rudolf Mahni, Solotrompeter des Philharmonischen Orchesters Freiburg und Dozent an der Musikhochschule Freiburg, beschreibt, was beim Trompetenspiel im Körper passiert: Hier herrscht eine besondere Drucksituation, bis zu Spitzenwerten von 2,5 bar und die muss auch die Lippenmuskulatur aushalten.
Dirigent Sascha Goetzel und die "Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken" spielen das Finale
Neben den körperlichen Belastungen gibt es auch noch den mentalen Stress
Lange Zeit galten körperliche Beschwerden unter Musikern als ein Tabu-Thema, auch aus der Angst heraus nicht wieder engagiert zu werden. Mittlerweile wird offener darüber gesprochen. Das hat auch damit zu tun, dass es mittlerweile spezialisierte Ärzte gibt.
Professorin Claudia Spahn ist Leiterin des Instituts für Musikermedizin an der Musikhochschule Freiburg. Sie sieht insgesamt eine positive Entwicklung, wobei es Unterschiede zwischen den Instrumentengruppen gibt. Denn Sänger melden sich bei Beschwerden immer sehr schnell, auch die Bläser. Doch vor allem die Streicher ignorieren Schmerzen noch lange und schleppen sich damit in den Konzertsaal.

Zehn Prozent der Orchestermusiker chronisch krankgeschrieben

Trotz zahlreicher Anlaufstellen, die sich der körperlichen Beschwerden annehmen, sind noch immer mehr als 10 Prozent aller Orchesterspielenden in Deutschland chronisch krankgeschrieben. Deswegen steht für Claudia Spahn die Prävention bereits im Musikstudium im Vordergrund. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Professor Bernhard Richter bietet sie mehrere Seminare an, die künftige Profimusiker nachhaltig gesund halten sollen.
In einer Illustration eines Menschen ist die Schulter wegen Schmerzen rot eingefärbt.
Schmerzende Schultern - ein weit verbreitetes Problem bei professionellen Geigern und Geigerinnen.
Auch im Instrumentalunterricht nimmt die nachhaltige und gesunde Körperarbeit immer mehr Raum ein. So arbeitet Professorin Simone Zgraggen in ihrem Geigenunterricht zum Beispiel eng mit einem Physiotherapeuten zusammen.
Musikerinnen und Musiker kämpfen nicht nur mit körperlichen Belastungen durch ihr eigenes Spielen. Auf ihre Ohren trifft auch die Klanggewalt des gesamten Orchesters. Bis zu 120 Dezibel werden auf der Bühne gemessen, das ist so laut wie ein Presslufthammer. Deswegen sind Orchestermusiker angehalten ihr Gehör zu schützen.
Studenten der Trompetenklasse von Professor Matthias Höfs aus Hamburg
Orchestermusiker sind oft extremen Lautstärken ausgesetzt.

Stress und Routine beim Musizieren

Neben den körperlichen Belastungen gibt es auch noch den mentalen Stress. Bei einem Hornisten der Wiener Symphoniker wurden während seines Orchestersolos 200 Pulsschläge pro Minute gemessen. Streicher leiden unter Bogenzittern, Solisten kennen die Angst vor dem Blackout. 95 Prozent aller Musiker müssen laut Schätzungen mit den Auswirkungen von Auftrittsängsten und Lampenfieber leben.
Heutzutage ausgebildete Musiker haben durch das reichhaltige Angebot präventiver Maßnahmen die Chance, sich lange gesund zu halten. Trotzdem werden ihnen früher oder später die Begleiterscheinungen des Alterns begegnen. Mahni erzählt, das Gehör leidet, die Augen leiden durch die helle Pultbeleuchtung und hohen Kontraste im Orchestergraben, und die Schnelligkeit lässt nach. Aber eine gute Routine kann hier viel auffangen.
Kleines Mädchen sitzt an einem Klavier und betrachtet aufmerksam die Noten, während sie mit einer Hand spielt.